Nachdem am 17. November 1906 nach rund fünfjähriger Vorlaufs- und Planungszeit, ein erster Antrag war bereits am 10. Mai 1901 gestellt worden, die Dürener Dampfstrassenbahn AG die Genehmigung zur Streckenverlängerung von Merken nach Pier erhalten hatte, war damit auch eine Vergrößerung der Anzahl der vorhandenen Betriebsmittel angesagt.

Der Vorstand der DDAG vergab dazu u.a. einen Bauauftrag über 4 Stück vierachsige Reisezugwagen an die Waggonfabrik Aktien-Gesellschaft, vorm. P. Herbrand & Cie., Köln-Ehrenfeld. Diese Firma hatte auch die 5 bereits bei der DDAG vorhandenen Personenwagen geliefert.

Die bauliche Ausführung dieser Wagen wurde von zwei Faktoren beeinflusst. Zum einen hatte die Königliche Oberpostdirektion Aachen am 1. April 1907 die DDAG mit der künftigen Postbeförderung von Düren bis nach Pier beauftragt. Zum anderen war aber kein Versender oder Empfänger von Wagenladungsverkehr in Pier in Sicht, so dass nur von einer überschaubaren Anzahl von Klein- und Stückgutsendungen auszugehen war, für die sich das Mitführen eines gedeckten Güterwagens in den Personenzügen nicht lohnte.

Der Bauauftrag wurde dementsprechend spezifiziert in
- 1 Stück Personenwagen II. und III. Klasse, Gattung BC4i, Betriebsnummer 6
- 2 Stück Kombinationswagen mit 2 Personenabteilen III. Klasse und einem Ladeabteil, Betr.-Nr. 7 + 8
- 1 Stück Kombinationswagen mit 2 Personenabteilen III. Klasse und einem Postabteil, Betr.-Nr. 9

Da die Wagen 7,8 und 9 baugleich waren wurde im Ehrenfelder Zeichnungsbüro eine gemeinsame Genehmigungs-zeichnung mit der Nummer 2587, datierend auf den 21.3.07, gefertig

Der Wagen Nr. 9 wurde, erst nach Eröffnung der Streckenverlängerung nach Pier am 20. Jan. 1908,  als letzter im März 1908 ausgeliefert und war, wie sich später dann zeigen sollte, auch der letzte neu-gelieferte  Personenwagen, alle später beschafften Beiwagen für den elektrischen Betrieb waren aus-nahmslos Gebrauchtkäufe.

1926 eröffnete der Kölner Kaufmann Abraham Heymann in Pier eine Lumpensortieranstalt, welche auch ein Anschlussgleis an den Bahnhof Pier erhielt und regelmäßigen Güterverkehr zur Folge hatte.
Damit konnten die Klein-  und Stückguttransporte nun in den für 10 to Nutzlast ausgelegten vier-achsigen Bremswagen der  Rollwagenzüge erfolgen, wodurch die Ladeabteile in den Wagen 7 und 8 obsolet wurden.
Noch in 1926 wurde bereits einer dieser beiden Wagen in der DDAG-Werkstatt zu einem reinen Personenwagen umgebaut. Da für die Postbeförderung seit 1923 ein aus dem ehemaligen Triebwagen Nr. 14 umgebauter spezieller Postbeiwagen zur Verfügung stand und die Werkstatt ja seit 1926 ein passendes Konzept durch den Umbau der Wagen 7 und 8 hatte, wurde im Januar 1929 auch der Wagen Nr. 9 zu einem reinen Personenwagen umgebaut.

Dass auch an dem Wagen Nr. 9 ein entsprechender Umbau stattgefunden hatte, war bekannt. Nur ob diese Maßnahme bei der DDAG oder erst nach dem im September 1936 stattgefundenen Verkauf des Wagens an die Steinhuder Meer-Bahn in der dortigen Werkstätte oder gar erst nachdem das Fahrzeug wenige Jahre später vom Meer an die See, nämlich auf die Nordsee-Insel Sylt gelangt war, erfolgte, war bisher unklar.
Seit dem 12. Februar d.J. ist der Ort und Zeitraum nun bekannt, denn bei Restaurierungsarbeiten im Innenraum des Wagenkastens fanden Mitarbeiter der Selfkantbahn auf der Rückseite eines abgebauten Holzbrettes der Wandverkleidung den händischen Schriftzug umgebaut Januar 1929.

Damit ist nun klar, dass  der Umbau auch dieses Wagens durch die Werkstätte der Dürener Dampf-strassenbahn in Birkesdorf erfolgt ist, denn 1929 gehörte die Nr. 9 noch zum Betriebsbestand der DDAG. Erst als 1935 vier Stück gut erhaltene zweiachsige Beiwagen (Norddeutsche Waggonfabrik, 1921) von der Hagener Straßenbahn gekauft worden waren, konnten die noch aus der Zeit der dampfgeführten Personenzüge stammenden Wagen Nr. 2, 7,8 und 9 an die StMB in Wunstorf verkauft werden. Alle vierachsigen Personenwagen der DDAG kamen letztlich wieder bei der Sylter Inselbahn zu-sammen. Der auf Sylt  unter der Betriebsnummer 118 eingeordnete Wagen erhielt 1957 in der Inselbahnwerkstatt einen völlig neuen Aufbau in Stahlkonstruktion. Dies war der Umstellung des Inselbahnbetriebes auf die Bau- und Betriebsordnung für Straßenbahnen geschuldet. Die BOStrab schrieb stählerne Wagenkästen für Personenwagen vor. Der Umbau des 118 blieb aber eine Einzelmaßnahme, für alle anderen Fahrzeuge konnten Ausnahmegenehmigungen erwirkt werden.

Nach der Betriebseinstellung des Schienenverkehrs der Sylter Verkehrsgesellschaft konnten von der IHS 1971 u.a. die Personenwagen 118 und 119, beides ehemalige DDAG-Fahrzeuge, für den Einsatz auf der Selfkantbahn, welche rund 50 Km entfernt von der ursprünglichen Wagenheimat, dem Kreis Düren, gelegen ist, übernommen werden.

Beide Fahrzeuge wurden 1973 in der Hauptwerkstätte der Krefelder Verkehrs AG für einen mehrwöchigen Einsatz als Dampfstraßenbahnwagen auf den meterspurigen Gleisen der Krefelder Strassenbahn aufgearbeitet. Beide Fahrzeuge kamen 1974 dann wieder zur Selfkantbahn, wo 1975 der 118 zum Buffetwagen umgebaut wurde.

Interessant und von Glück ist es schon, dass das jetzt aufgefundene und rückseitig beschriene Brett der Wandverkleidung alle Umbauten des Wagens 118 überlebt hat. Solch ein historischer Fund darf aber bei der anstehenden Vollendung der Aufarbeitung des ebenfalls von der DDAG stammenden jetzigen Wagens 119 nicht erwartet werden, da bei den Arbeiten in der Blankenburger Werkstätte alle ursprünglichen Wandverkleidungen und -vertäfelungen herausgerissen und entsorgt wurden.

Wolfgang Nass

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